Hintergrundinformationen zur Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie

Entwicklung

Der Arbeitsschutz in Deutschland hat ein im internationalen Vergleich hohes Niveau erreicht. Aber trotz des Erreichten bleibt der Schutz von Sicherheit und Gesundheit ein wichtiges Thema, denn nach Jahren sinkender Unfallquoten ergab sich 2007 wieder ein leichter Anstieg der Unfälle. Auch auf die veränderten Belastungsstrukturen muss der Arbeitsschutz reagieren, wie die steigenden Zahlen psychischer Erkrankungen und von Muskel- und Skeletterkrankungen nachdrücklich zeigen.

Auf der anderen Seite wurde eine langwierige Debatte über eine notwendige Reform dualen Arbeitsschutzsystems in Deutschland geführt, die im Jahr 2005 mit der Entscheidung der Arbeits- und Sozialminister der deutschen Länder zur Entwicklung einer Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) beendet wurde: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die obersten Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer, und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland haben haben gemeinsam die GDA erarbeitet, in deren inhaltlicher Konzeption auch die Sozialpartner beteiligt waren. Diese Neuerung im dualen deutschen Arbeitsschutzsystem ist mit dem Inkrafttreten des Unfallversicherungsmodernisierungsgesetzes (UVMG) im Oktober 2008 nunmehr auch gesetzlich verankert.
Die GDA entspricht nicht nur europäischen und internationalen Vorgaben, sondern ist zugleich auch eine Reaktion der Arbeitsschutzinstitutionen auf den Wandel in der Arbeitswelt, die Globalisierung der Wirtschaft und die in Deutschland erwarteten demografischen Veränderungen in der Gesellschaft. Die hieraus entstehenden Herausforderungen im Themenfeld Sicherheit und Gesundheit sind nur zu lösen, wenn die vorhandenen Präventionspotenziale stärker zusammengeführt, vorhandene Synergien erschlossen und die Zusammenarbeit der Institutionen optimiert werden. Übergeordnetes Ziel der gemeinsamen Strategie ist es, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten durch einen präventiv ausgerichteten und systematisch wahrgenommenen Arbeitsschutz, ergänzt durch Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung, zu erhalten, zu verbessern und zu fördern und gleichzeitig eine bessere Transparenz des Aufsichtshandelns zu ermöglichen. Gleichwohl deckt die GDA nur einen Teil der Präventionsaktivitäten von Staat und Unfallversicherung ab und lässt damit weiten Spielraum für die spezifischen Aufgaben und Aktivitäten des Bundes, der Länder und der Unfallversicherungsträger. Um die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie zu steuern bedarf es effizienter Strukturen.

Als zentrales Gremium für die Planung, Koordinierung, Evaluierung und Entscheidung im Rahmen der gemeinsamen Arbeitsschutzstrategie wird die „Nationale Arbeitsschutzkonferenz (NAK)“ eingerichtet, in der als stimmberechtigte Mitglieder jeweils drei Vertretungen von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern benannt werden. Der herausragenden Rolle der Sozialpartner für die Umsetzung der Arbeitsschutzziele und deren Evaluation entsprechend entsenden die Spitzenorganisationen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern jeweils bis zu drei Vertretungen mit beratender Stimme. Der systematische Dialog der Träger der gemeinsamen Arbeitsschutzstrategie mit allen für den Arbeitsschutz relevanten Kreisen erfolgt im Arbeitsschutzforum. Aufgabe des Arbeitsschutzforums ist es, die Nationale Arbeitsschutzkonferenz zu beraten, we-sentliche Impulse für die Auswahl und Festlegung von Arbeitsschutzzielen und gemeinsamen Handlungsfeldern zu geben und eine Beteiligung im partizipativ ausgerichteten Abstimmungsprozess zu sichern. Dadurch können alle relevanten Gruppen der Arbeitsschutzakteure und der Wissenschaft ihre Vorstellungen für die Entwicklung von Arbeitsschutzzielen und gemeinsamen Handlungsfeldern einbringen.

Am Arbeitsschutzforum nehmen insbesondere die Sozialpartner, die Berufs- und Wirtschaftsverbände, die Krankenkassen- und Rentenversicherungsträger, die Nationalen Netzwerke im Bereich Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sowie Vertreter der Wissenschaft teil.

Für den ersten Programmzeitraum von 2008 bis 2012 haben die GDA-Träger sich gemein-samen mit den anderen Akteuren im Arbeitsschutz auf gemeinsame Ziele verständigt und in Handlungsfeldern konkretisiert. Zentrale Projekte werden dann im genannten Zeitraum auf der Basis abgestimmter Konzepte zu folgenden Schwerpunkten durchgeführt:

Arbeitsschutzziel Nr. 1 ist die „Verringerung von Häufigkeit und Schwere von Arbeitsunfällen“. Zur Erreichung dieses Zieles werden Projekte bei Bau- und Montagearbeiten sowie im innerbetrieblichen und überbetrieblichen Transport und Verkehr durch-geführt. Ein weiteres Projekt befasst sich mit dem Arbeitsschutz in der Zeit- und Leiharbeit. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen auch Maßnahmen ergriffen werden, um psychische Fehlbelastungen zu verringern und die systematische Wahrnehmung des Arbeitsschutzes in Unternehmen zu fördern.

Beim Arbeitsschutzziel Nr. 2 – der Verringerung von Muskel-Skelett-Belastungen und Erkrankungen – geht es vorrangig um die Themen „Gesundheitsdienst und Pflege“ und sowie um einseitig belastende oder bewegungsarme Tätigkeiten in der Montage und im Büro. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden dabei im Mittelpunkt stehen. Auch die ergonomische und alternsgerechte Gestaltung der Arbeit, psychische Fehlbelastungen sowie die Förderung eines systematischen Arbeitsschutzes sollen entsprechend berücksichtigt werden.

Bei Arbeitsschutzziel Nr. 3 – der „Verringerung der Häufigkeit und Schwere von Hauterkrankungen“ – liegt der Fokus auf der „Arbeit mit beziehungsweise im feuchten Milieu“ (Feuchtarbeit) und dem Kontakt mit hautschädigenden Stoffen wie Kühlschmierstoffen, Motorölen, organischen Lösungsmitteln und Reinigungsmitteln. Dabei soll auch die Substitution von Stoffen besonders berücksichtigt werden. Ein weiteres wesentliches Element der GDA ist die Festlegung von Verfahren, wie die für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden und die Unfallversicherungsträger sich bei der Beratung und Überwachung der Betriebe abstimmen sollen. Auch die Schaffung eines und verständlichen, überschaubaren und abgestimmten („kohärenten“) Vorschriften- und Regelwerks wird im Rahmen der GDA vorangetrieben.
Um diese anspruchsvollen Ziele auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen, wird derzeit an einem Evaluierungskonzept gearbeitet. In diesem Zusammenhang wird erstmals in breiterem Umfang auch über die Ermittlung von Indikatoren und den Austausch von Kennzahlen diskutiert.

GDA in Hessen

Um die Kooperation im Rahmen der GDA mit Leben zu füllen, wird sie in erheblichem Maße auf regionaler Ebene umgesetzt werden. Auf Seiten der staatlichen Arbeitsschutzbehörden in Hessen wurde schon seit einiger Zeit eine Diskussionen über das Selbstverständnis der Aufsicht geführt, die zu der Schlussfolgerung gelangte, dass die klassischen, rein sicherheitsbezogenen Zielsetzungen des Arbeitsschutzes der Erweiterung bedürfen. Dabei rücken vor allem die gesundheitliche Prävention, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie die organisationalen Bestimmungsgrößen eines wirksamen Gesundheitsschutzes bei der Arbeit in den Mittelpunkt. Diese Akzentuierung der Schwerpunkte wurde kontinuierlich im Beirat für Arbeitsschutz im Hessischen Sozialministerium mit den Sozialpartnern diskutiert und abgestimmt. Auf der Seite der Unfallversicherungsträger werden die Aufgaben und Zuständigkeiten der gemeinsamen landesbezogene Stellen (GLS) deutlich erweitert. Die GLS und die obersten Arbeitsschutzbehörden der Länder sind nach UVMG dazu verpflichtet, ihre gemeinsamen Aktivitäten eng miteinander abzustimmen. Diese Struktur ermöglicht es, auch regionale Unterschiede und Besonderheiten, z.B. in der Wirtschaftsstruktur eines Bundeslandes, zu berücksichtigen. In Hessen hat die enge Zusammenarbeit zwischen des Hessischen ASV und der GLS ebenfalls eine jahrelange Tradition.

Mit dem Arbeitskreis ‚Gesundheit im Betrieb’, der unter der Federführung des RKW die Akteure des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in Hessen in einem Netzwerk integriert, ist eine Diskussionsplattform vorhanden, die als „hessisches Arbeitsschutzforum“ nicht nur einen breiten Meinungsbildungsprozess initiieren und stabilisieren kann, sondern auch die Umsetzung der GDA-Projekte konstruktiv-kritisch begleiten wird. Von daher ist der Arbeitsschutz in Hessen gut aufgestellt, den Herausforderungen der GDA zu begegnen und damit einen substantiellen Beitrag zur Schaffung guter, gesundheitsförderlicher Arbeitsplätze in Hessen zu leisten.

Fazit

Die GDA wird die deutsche Präventionspolitik nach derzeitiger Einschätzung in den nächsten Jahren maßgeblich prägen. Sie stellt einen Paradigmenwechsel im deutschen Arbeitsschutzsystem dar und wird einen erheblichen Beitrag zur Stärkung der Aktivitäten im Arbeits- und Gesundheitsschutz leisten.

Bettina Splittgerber
Hessisches Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit

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