Gesundheitszirkel Reinigungsdienst

Praxisbeispiel für Gesundheitsförderung und Integriertes Betriebliches Gesundheitsmanagement

Parallel zum Wandel in der Arbeit und den Arbeitsformen hin zum Überwiegen der Dienstleistungsgesellschaft und immer schnelleren und flexibleren wissensbasierten Arbeitsformen hat sich das Management von Gesundheit bei der Arbeit gewandelt. Der klassische, auf die Verhütung von Unfällen ausgerichtete Arbeitsschutz ist modernen und umfassenderen Vorstellungen von Prävention und nachhaltiger Gesundheitsförderung gewichen. Dabei ist nicht mehr nur die Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren unter Einbeziehung auch psychosozialer Belastungen gefordert, sondern verstärkt die synergistische Nutzung von Maßnahmen zur Steigerung der allgemeinen Gesundheit am Arbeitsplatz im Rahmen einer betrieblichen und allgemeinen Gesundheitsförderung. Nicht zuletzt sind Modelle einer punktuellen oder dauerhaften Einbeziehung von Werkzeugen des Personalmanagements und der Arbeitsgestaltung bei der Betrachtung von Zufriedenheit und Gesundheit im Kontext mit Arbeit wichtig.

Die vorliegende Arbeit stellt Methoden und vorläufige Ergebnisse des seit 1999 aktiven „Gesundheitszirkels Reinigungsdienst“ eines Krankenhauses dar. Der Gesundheitszirkel kombinierte in einem integrierten Ansatz Methoden und Ziele des Arbeits- und Gesundheitsschutzes mit denen der Gesundheitsförderung und des Personalmanagements. Fehlzeiten und Gesundheitsbeschwerden nahmen infolge der Intervention ab. Die Akzeptanz insbesondere der Maßnahmen der Gesundheitsförderung war bei den Mitarbeitern des Reinigungsdienstes hoch. Förderlich ist, dass der Gesundheitszirkel in eine über zwölfjährige Tradition der Gesundheitsförderung in diesem Krankenhaus eingebettet ist. Über die aktuelle Intervention hinaus wird eine Strategie der Nachhaltigkeit für die Anliegen des Gesundheitszirkels entwickelt. Eine Maßnahme dieser Strategie, eine Fitnessbroschüre mit einer Reinigungskraft als Model, wurde von den Mitarbeitern sehr positiv bewertet. Insgesamt muss das Praxisbeispiel Gesundheitsförderung bereits jetzt als gelungen angesehen werden. Der Gesundheitszirkel Reinigungsdienst dient im Unternehmen inzwischen als Modell für andere Problembereiche. Der Ansatz eines Integrierten Betriebliches Gesundheitsmanagements ist zukunftsweisend und entspricht beispielsweise den Prinzipien des im vergangenen Jahr verabschiedeten Leitfadens „Guidelines on occupational safety and health management systems“ der International Labour Organisation (ILO).

Welchen Nutzen hat Gesundheitsförderung im Betrieb?

Als aktuelle Entwicklung in der Arbeitswelt wird ein Wandel von klassischen Arbeitsbelastungen hin zu eher psychosozialen Belastungen einer überwiegenden Dienstleistungsgesellschaft diskutiert. Diese Entwicklung trifft als Trend zu (EICHENDORF W 1999, EICHENDORF W 2001). Nicht vergessen werden dürfen jedoch eine Verbleiben hoher körperlicher Belastungen besonders bei einfachen und nicht in größerem Umfang wissensbasierten Tätigkeiten. Ein besonderes Problemfeld stellen komplexe Beanspruchungen mit Anteilen sowohl körperlicher wie psychosozialer Belastungen dar wie sie auch bei Mitarbeitern im Reinigungsdienst eines Krankenhauses vorkommen. Hohe Fehlzeiten und erhebliche Gesundheitsbeschwerden sind häufig zu verzeichnen.

Der Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsschädigungen kommt eine besondere Bedeutung zu. Da es sich bei der Gesundheit, dem Wohlbefinden und der Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz um das Resultat komplexer Beanspruchungen und schützender Ressourcen aus dem beruflichen wie dem privaten und sozialen Bereich handelt, ist die Gesundheitsförderung mit einem ganzheitlichen und weitergehenden Ansatz von Bedeutung. Gesundheitsförderung baut auf salutogenetischen Prinzipien (ANTONOVSKY 1997) auf. Wichtig dabei ist, dass weniger Krankheit und Krankheitsvermeidung im Vordergrund steht, sondern Gesundheit im umfassenden Sinn. Bei einem Verständnis von Gesundheit, das Wohlbefinden und erhaltene Regulations- und Kompensationsfähigkeit mit einschließt, kann Gesundheit trotz fehlender fassbarer Organstörung eingeschränkt sein.

Werkzeuge der Betrieblichen Gesundheitsförderung sind unter anderem Gesundheitszirkel. Dieses Instrument kommt vor allem bei komplexen Gesundheitsgefährdungen zum Einsatz. Idealerweise wird ein Gesundheitszirkel vor dem Auftreten von Beschwerden im Sinne der Primärprävention eingesetzt. Oft dient er allerdings der Intervention, um Probleme zu lösen oder das weitere Eskalieren im Sinne der Tertiärprävention zu verhindern. Zusammensetzung und Vorgehensweise sind problembezogen unterschiedlich.

In den Jahren 1998 und 1999 nahmen die Gesundheitsbeschwerden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Reinigungsdienstes eines Krankenhauses deutlich zu. Sie wurden in der betriebsärztlichen Sprechstunde, bei Vorsorgeuntersuchungen und bei Betriebsbegehungen geäußert sowie von Vorgesetzten berichtet. Etwa zeitgleich stellte die Personalabteilung ein deutliches Ansteigen der insgesamt schon nicht niedrigen krankheitsbedingten Fehlzeitenquote fest. So stiegen die krankheitsbedingten Fehlzeiten in den ersten vier Monaten des Jahres 1999 von 9,6 % im vergleichbaren Vorjahreszeitraum auf jetzt 18,7 % an. Gleichzeitig kam es teilweise zu Defiziten bei der Reinigungsleistung, die insofern von besondere Bedeutung waren, als in etwa demselben Zeitraum laufende Patientenbefragungen die hohe Wertigkeit von Sauberkeit für die Patienten eines Krankenhauses gezeigt hatten.

Die vom 1000-Betten-Krankenhaus fest angestellten ca. 100 Reinigungskräfte waren in den letzten drei Jahren zur Vermeidung von Unwirtschaftlichkeit im Vergleich mit externen Reinigungsdiensten in Umstrukturierungsmaßnahmen einbezogen worden. Resultat waren Personalreduktion und damit größere Reinigungsfläche pro Mitarbeiter sowie mehr Überstunden. Ebenfalls in diesem Zeitraum lag das Ausscheiden des bisherigen langjährigen Leiters des Reinigungsdienstes und die Dienstaufnahme eines Nachfolgers.

Die ersichtliche Komplexizität des Problems ließ an das einem Qualitätszirkel nachempfundene Instrument eines Gesundheitszirkels zur Problemlösung denken. Bei den potentiell unterschiedlichen Ansätzen eines Gesundheitszirkels bestand hier die Notwendigkeit eines möglichst breiten Ansatzes und eines möglichst schnellen und effektiven Vorgehens. Im Unterschied zu Modellen von Qualitätszirkeln, die sich primär auf der moderierten Betroffenen– Ebene bewegen, ggf. unterstützt durch Fachleute, sollte zur Erreichen von Schnelligkeit und Effektivität von Anfang an die Geschäftsführung einbezogen werden.

Um vom Ansatz her nicht nur das methodische Spektrum des Arbeitsschutzes, sondern parallel das der Gesundheitsförderung sowie der Personal- und Betriebsorganisation einsetzen zu können, wurde der Teilnehmerkreis darüber hinaus sehr breit gewählt. Der Ablauf wurde analog einem Qualitätszirkel, als Prozess und unter den Gesichtspunkten der kontinuierlichen Verbesserung gestaltet.

Zuerst wurden die Probleme von den Anwesenden thematisiert und diskutiert. Hierbei wurde insbesondere auf die Aussagen der Betroffenen zu möglichen Belastungen und Beanspruchungen Wert gelegt. Auf das zusätzlich mögliche Instrument einer Befragung aller Mitarbeiter des Reinigungsdienstes wurde aus Zeitgründen und wegen des auch teilweise mangelhaften Sprachverständnisses zu diesem Zeitpunkt verzichtet. Nach einer Analyse der Problemlage wurden gewichteten Problemen Lösungsvorschläge gegenübergestellt und diese nach Schnelligkeit und Aufwand priorisiert. Die höchste Wertigkeit bei den Ursachen erhielten Mängel der Ergonomie wie unergonomische Bewegungsabläufe und ungeeignete, weil häufig zu lange Stiele der Reinigungsgeräte. Eine hohe Bedeutung wurde fehlender Anerkennung, Doppel- und Dauerbelastung, hohem Durchschnittsalter und langer Dienstdauer beigemessen. Im mittleren Bereich lag beispielsweise mangelnde Motivation. Als deutlich nachrangiges gesundheitliches Problem erschien ungenügende Hautpflege.

Ein innerhalb von vier Wochen bereits gestartetes Maßnahmenpacket konzentrierte sich auf die Intervention durch Maßnahmen, die eine möglicht kurzfristige Machbarkeit mit schnellem Erfolg kombinieren sollten. Die Anschaffung von verstellbaren Teleskopstielen aus Aluminium gehörte ebenso dazu wie die Anschaffung neuer schicker Hosenanzüge statt bisher in mehrfacher Hinsicht ungünstiger Kleider. Berichte über Aufgaben und Probleme des Reinigungsdienstes in der Klinikzeitung sollten die Motivation der Reinigungsdienstmitarbeiter stärken und andere im Krankenhaus tätige Berufsgruppen für die Probleme sensibilisieren.

Mittelfristig wurde eine Schulung aller Mitarbeiter in kleinen Gruppen durch die Personalärztliche Abteilung durchgeführt. Hierbei konnte teilweise auf Erfahrungen von HUTH 1996 zurückgegriffen werden. Themenschwerpunkte waren unter anderem ergonomische Arbeitstechniken und die Entwicklung eines Körperbewusstseins. Diese Schulungen wurden wirkungsvoll ergänzt durch die Anleitung zu Fitness- und Entspannungsübungen durch die Physiotherapie des Hauses.

Von Seiten der Geschäftsführung und des Personalmanagements kam es zu Fehlzeitengesprächen bei Mitarbeitern mit extrem hohen Fehlzeiten. Ferner zur individuellen Unterstützung, z.B. bei sozialen Problemen, sowie zum Austausch des Leiters des Reinigungsdienstes. Intensiviert wurden ebenfalls die Hilfsangebote der Personalärztlichen Abteilung, z.B. bei chronisch Kranken Umsetzungs-, Reha- oder Rentenmaßnahmen anzustoßen oder zusätzlich gesundheitlich zu beraten.

Während der Schulung in kleinen Gruppen, der zeitlich und personell aufwendigsten Maßnahme, wurde von den Teilnehmern - bei Sprachproblemen ggf. mit Unterstützung durch Kolleginnen -, ein Fragebogen ausgefüllt. In diesem Fragebogen sollten neben Angaben zu Alter und Familiensituation die Reinigungstätigkeit nach Anstrengungsgrad gewichtet sowie Angaben zur Lokalisation und Intensität von Gesundheitsbeschwerden gemacht werden.

Um den Reinigungsmitarbeitern die eigenständige Durchführung der Übungen zu erleichtern, und zur Auffrischung der Fitness- und Entspannungsübungen wurde nach Abschluss der Schulungen eine Fitnessbroschüre entwickelt. Zum leichteren Verständnis wurde diese auf acht Seiten begrenzt. Der Schwerpunkt lag auf einer gut verständlichen Bebilderung mit knappem und einprägsamem Text. Eine Reinigungskraft diente, nicht zuletzt aus Akzeptanzgründen, als Model. Die Fitnessbroschüre wurde außerordentlich positiv aufgenommen. Die Bedeutung dieser Broschüre wurde dadurch positiv verstärkt, dass alle Mitarbeiter des Klinikums diese Broschüre erhielten, persönlich überreicht durch den Geschäftsführer, den Betriebsratsvorsitzenden, seine Stellvertreterin, den Personalchef, den Leitenden Betriebsarzt oder die Stellvertreterin des Leitenden Betriebsarztes.

Etwa neun Monate nach Beendigung der Schulungen wurden in größeren Grup­pen Nachschulungen durchgeführt, an denen erneut ein Großteil der Reinigungs­kräfte teilnahm. Hierbei wurden die erlernten ergonomischen Grundlagen und Reini­gungstechniken sowie Fitness‑ und Entspannungsübungen vertieft. Ein weiterer von allen ausgefüllter Fragebogen diente der Erfassung der Akzeptanz der verschiede­nen Maßnahmen der Aktion. Weiter sollten die Reinigungskräfte sich zur Durchführbarkeit der erlernten Techniken äußern, zu aktuellen Beschwerden bzw. zur Ver­besserung der Beschwerden gegenüber dem Zeitpunkt vor der Schulung. In einer offenen Frage konnten außerdem Anregungen gegeben werden für eventuelle weite­re Änderungen bzw. Verbesserungen. Der zweite Fragebogen wurde anschließend mit dem Ziel der Evaluation dem Eingangsfragebogen gegenübergestellt.

Die Auswertung der Eingangsfragebögen ergab eine hohe Prävalenz von Wirbelsäulenbeschwerden (insbesondere Hals‑ und Lendenwirbelsäule) sowie Beschwerden im Schulter‑Arm‑Bereich. Nur ein kleiner Teil der Befragten gab an, im Bereich des Bewegungsapparates und der Wirbelsäule gar nicht oder nur gelegentlich unter Beschwerden zu leiden. Als Ergebnis der Befragung interessant war, dass das Durchschnittsalter der Befragten bei 45 Jahren lag (25 % über 50 Jahren) und knapp die Hälfte der überwiegend weiblichen Reinigungskräfte zusätzlich zum Haushalt zwei oder mehr Kinder zu versorgen hatte.

Von den Reinigungstätigkeiten wurden besonders das Säubern der Nasszelle (WC und Dusche) sowie das Reinigen vertikaler Flächen (Wände, Türen. Fenster) als anstrengend empfunden. Hier zeigten sich auch häufig ergonomische Mängel sowohl bezüglich der Reinigungstechniken als auch der zur Verfügung stehenden Geräte.

Auch wurde der Arbeitsdruck als hoch empfunden. In Einzelgesprächen zeigte sich beispielsweise die Tatsache negativ besetzt, dass, verstärkt durch hohe Fehlzeiten und Personalreduzierung, oftmals keine feste Zuordnung zu einer Station oder einem Bereich möglich war, sondern eine Tätigkeit als "„Springer"“ mit wechselnden Einsatzorten ausgeführt werden musste.

In weiteren Sitzungen des Gesundheitszirkels sowie in Sprechstunden- und sonstigen Begegnungen äußerten sich Reinigungsdienstmitarbeiter außerordentlich positiv über das Interventions-Programm. Von den Primärinterventionsmaßnahmen zeigten die Hosenanzüge eine besonders nachhaltige Wirkung, da sie nicht nur praktisch und somit der Ergonomie förderlich, sondern zugleich ästhetisch ansprechend waren und dadurch der verbesserten Anerkennung der Reinigungskräfte förderlich waren.

Den durch die Personalärztliche Abteilung durchgeführten Schulungen wurde zwar zunächst gerade durch die langjährig tätigen Reinigungskräfte mit Skepsis, dann jedoch im Verlauf positiv begegnet. Die Umsetzung des Erlernten im täglichen Arbeitsablauf wurde dabei stets als wesentliche Herausforderung diskutiert. Die Schulungen zeigten ein erhebliches Defizit in der Wahrnehmung von Körpersignalen sowie im Vorhandensein ergonomischer Arbeits- ­und Bewegungsabläufe. Außerordentlich gern und mit Engagement nahmen die geschulten Reinigungskräfte an den Anleitungen zu Fitness‑ und Entspannungsübungen teil, die gerade auch für Arbeitspausen und für die Entspannung nach der Arbeit gedacht waren.

Über die speziell auf die Reinigungstätigkeiten abzielenden Interventionsmaßnahmen und daraus resultierenden Verhaltensänderungen hinaus ließ sich feststellen, dass möglicherweise durch ein verbessertes Gesundheitsbewusstsein das Interesse an angebotenen, aber nicht speziell für Reinigungskräfte beworbenen anderen Maßnahmen der Gesundheitsförderung, wie z.B. Raucherentwöhnung, zunahm.

Die Auswertung der anlässlich der zweiten Schulung ausgegebenen Fragebögen bestätigte den schon während der gesamten Aktion gewonnenen Eindruck einer gu­ten Akzeptanz. 85% der Befragten gefiel die Angebote gut oder sehr gut. Am meisten Resonanz fand die neue Kleidung (71 %), gefolgt von den neuen Arbeitsschuhen (35%), den neuen Reinigungstechniken (31 °/a) sowie gleichwertig den Fitness‑ und Entspannungsübungen und der Fitnessbroschüre (je 26%). Immerhin 81 % konnten die neuen Reinigungstechniken bei der Arbeit zumindest manchmal anwenden (23% ständig oder oft), 63 % führten die Fitnessübungen auch selbst durch.

Die Beschwerdeprävalenz war weiterhin hoch im Bereich des Schultergürtels sowie der Hals‑ und Lendenwirbelsäule. Als unverändert gegenüber dem Zeitpunkt vor der Aktion bewerteten zum Zeitpunkt der Nachschulung ihre Beschwerden 41 % der Rei­nigungskräfte. Die übrigen berichteten über eine Beschwerdebesserung im Bereich der Wirbelsäule (18%), des Schultergürtels (26%), der Arme (16%) sowie der Beine (15%).

Als gewünschte weitere Änderungen bzw. Verbesserungsmaßnahmen wurden z.B. verbesserte ergonomische Arbeitsgeräte, geänderte Arbeitszeiten mit verbesserter Erholung sowie das regelmäßige Angebot von Gymnastik genannt. Über geänderte Arbeitszeiten wird zur Zeit im Bereich Leitung Reinigungsdienst/Geschäftsführung nachgedacht.

Die Auswertung und Verfolgung der Fehlzeitenstatistik zeigten im ersten Quartal 2000 bereits einen massiven Rückgang der Fehlzeiten von 18,6 auf 11,8 %. Im Jahresvergleich folgte sogar eine Reduktion der Fehlzeiten von 14,2 % auf 10,0 % (verglichen mit 10,5 % 1998). Der positive Trend hält auch im Jahr 2001 an.

Insgesamt ist die Aktion sowohl von der nachweislich guten Resonanz der Verbes­serung der körperlichen Beschwerden als auch der Fehlzeitenreduzierung jetzt schon als erfolgreich anzusehen. Langzeiteffekte wie ein geändertes Gesundheitsbewusstsein mit weiteren positiven Erfolgen auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit sind zu erhoffen.

Krankheitsbedingte Fehlzeiten sind ebenso wie Leistungsbereitschaft, Motivation, Qualität der Arbeit nicht nur von der objektiven körperlichen Gesundheit, sondern von Führungsverhalten, Anerkennung, Betriebsklima, sozialer Unterstützung und weiteren arbeits- und betriebsimmanenten sowie persönlichen und sozialen Faktoren abhängig (BADURA et al. 2001, BADURA et al. 1999, STADLER et al. 2000).

Die Abhängigkeit von Fehlzeiten auch von der sozialen Schicht bzw. der Tätigkeitsstruktur ist z.B. anhand von Vergleichszahlen aus dem Bayerischen Öffentlichen Dienst von 1999 darstellbar. Die Fehlzeiten im Reinigungsdienst öffentlicher Unternehmen liegen eher höher als das in dieser Abbildung dargestellte Fehlzeitenniveau von 7,9 %. Die erwähnten Faktoren sind auch für die Fehlzeiten von Mitarbeitern im Reinigungsdienst von Bedeutung. Als Beispiele scheinen sowohl komplexe Mehrbelastungen, nicht zuletzt durch Doppelbelastung berufstätiger Mütter, als auch Motivationsprobleme durch mangelnde Anerkennung eine besondere Rolle zu spielen.

Während der Ansatz des Arbeitsschutzgesetzes (ARBEITSSCHUTZGESETZ 1996) mit seinem Auftrag zur Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren bereits die komplexen Belastungen am Arbeitsplatz auch einer Reinigungskraft in seinen Präventionsauftrag einschließt, ist die aus der allgemeinen Lebens- und Sozialsituation erwachsende Belastung als Präventionsziel durch die Ansätze der Gesundheitsförderung abgedeckt.

Gesundheitsförderung wird seit ihrer Verankerung in der Ottawa-Charta 1986 (WELTGESUNDHEITSORGANISATION 1993) und Bekräftigung beispielsweise in der Jakarta Deklaration (WORLD HEALTH ORGANIZATION 1997) in unterschiedlichen Handlungsfeldern (Settings), so auch der Arbeitswelt, zunehmend, jedoch bei weitem noch nicht ausreichend umgesetzt. Eine umfassenden Definition von betrieblicher Gesundheitsförderung beinhaltet die Luxemburg-Deklaration 1997 (EUROPEAN NETWORK FOR WORKPLACE HEALTH PROMOTION 1997). Die Betriebliche Gesundheitsförderung bedarf allerdings weiterer methodischer Entwicklung und Absicherung trotz ihres ersichtlichen Nutzens und der mittlerweile umfangreich vorliegenden Literatur (BADURA, RITTER & SCHERF 1999, BUNDESZENTRALE FÜR GESUNDHEITLICHE AUFKLÄRUNG 1999, FRANZKOWIAK & SABO 1993, , GALLIKER 2000, HURRELMANN & LASER 1993, KERKAU 1997, PAULUS 1992, PRIESTER 1998, SCHEUCH 1997, WEBER 2001).

Weiterhin haben mitarbeiterbezogene Maßnahmen des Personalmanagements und der Arbeitsorganisation eine besondere Bedeutung für Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Es ist daher sinnvoll, bei betrieblichen Maßnahmen zur Steigerung von Gesundheit einen noch weiteren, über Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung hinausgehenden Ansatz eines alle Aspekte von Arbeit und Gesundheit zusammenführenden Ansatz eines Integrierten betrieblichen Gesundheitsmanagements (ELKE 1997, WEBER 1994, WEBER 2001) zu verfolgen.

Gesundheitsmanagement im Betrieb ruht dabei auf den drei Säulen Arbeits- und Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung, Personal- und Arbeitsorganisation. Diese Säulen existieren nicht in jedem Unternehmen. Wo vorhanden, sind sie nicht selten personell oder organisatorisch nicht verknüpft. Von den genannten Experten zu Personalmanagern ,-Entwicklern, Betriebsorganisatoren oder Vorgesetzten besteht wegen unterschiedlicher Anbindung, Hierarchie und Methodik häufig wenig Kommunikation und Kooperation. selten existieren gute Einzelbeispiel für eine zumindest teilweise Verknüpfung im Rahmen des betriebliches Gesundheitsmanagements (SCHROER A 2000).

Der Vorteil des hier aufgezeigten aus der Praxis kommenden Modells ist die Integration der drei Säulen Arbeits- und Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung und Personalmanagement. Es bedarf der Weiterentwicklung von praxistauglichen Modellen. In dem hier vorgestellten Praxisbeispiel ist aus methodisch-wissenschaftlichen Gründen nachteilig, dass sich der Effekt der gebündelten Einzelmaßnahmen nicht mit hinreichender Sicherheit auseinanderhalten lässt. Der zeitlich gestaffelte und damit evaluierbare Einsatz verschiedener Methoden wäre allerdings dem schnellen Erfolg hinderlich gewesen. Bei einer breiteren Anwendung kombinierter Modelle sind sowohl medizinische wie sozialwissenschaftliche Ansätze zur breiteren Evaluation und Absicherung sicherlich machbar.

Mitarbeiterzufriedenheit und damit für bestimmte Betrachtungsebenen parallel gehende Gesundheit ist ein entscheidender Faktor betrieblicher Produktivität und Qualität. Von daher ist es nur verständlich, dass in Qualitätsmanagementsystemen wie in dem EFQM-Modell (RADTKE PH 1997) Mitarbeiterzufriedenheit wesentlicher Bestandteil der Qualitätsbeurteilung eines Unternehmens ist. Darüber hinaus sprechen auch die bisher vorliegenden Studien für einen wirtschaftlichen Vorteil durch höhere Zufriedenheit, Leistungsfähigkeit und Fehlzeitenreduktion (BÜCHNER UND SCHROER 1996, PAPAI 1996).

Die vorliegende Studie kann sowohl von ihrem Sparten übergreifend integrierten methodischen Ansatz als auch von der mittels Fragebogen bestätigt guten Akzeptanz, der Reduktion körperlicher Beschwerden und der Fehlzeiten Baustein eines weiteren als Zukunftsmodell wichtigen Schrittes sein. Integriertes betriebliches Gesundheitsmanagement mit Arbeits- und Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung und Personalmanagement kann als vielleicht weitere Option, zusammen mit Qualitätsmanagement und Umweltmanagement, in ein umfassendes Qualitätsmanagement integriert werden (WEBER 2001).

Hoffnung machen hier auch Ansätze internationaler Organisation wie der ILO, die im Mai 2001 einen Leitfaden zu „Occupational safety and health management systems“ herausgegeben hat (ILO INTERNATIONAL LABOUR ORGANISATION OFFICE 2001), der Gesundheitsförderung zu Arbeits- und Gesundheitsschutz hinzufügt und das entsprechende Managementsystem als Teil eines integrierten Managementsystems schlüssig macht. (Abb. 14). Ein nationaler Leitfaden ist entwickelt und wird im Juni 2002 der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die Stärke sowohl eines Arbeits- und Gesundheitsschutz-Managementsystems als auch eines Umfassenden Qualitätsmanagements wird sich an der Integration unterschiedlichster Aspekte von Gesundheit und des Gesundheitsmanagements im Betrieb, an der Integration und den Synergien unterschiedlichster Anwendungsfelder von Qualität und Qualitätsmanagement und zum Beispiel auch an der Eignung sowohl für Groß- als auch für die zahlenmäßig überwiegenden Klein- und Mittelbetriebe messen lassen müssen.

1. ANTONOVSKY A (FRANKE A, dt. Hrsg): Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. dgvt-Verlag Tübingen 1997

2. (ARBEITSSCHUTZGESETZ) Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit Bundesgesetzblatt 1996: pp 1246 - 1253

3. BADURA B, LITSCH M, VETTER C (Hrsg): Fehlzeiten-Report 2000. Zukünftige Arbeitswelten: Gesundheitsschutz und Gesundheitsmanagement. Zahlen, Daten, Analysen aus allen Branchen der Wirtschaft. Springer-Verlag Berlin 2001

4. BADURA B, MÜNCH E, RITTER W: Cooperative Corporate Culture and Company Health Policy. Absenteeism Due to Loss of Motivation? Bertelsmann Foundation Publishers, Gütersloh 1999

5. BADURA B., RITTER W, SCHERF M: Betriebliches Gesundheitsmanagement, ein Leitfaden für die Praxis. Edition Sigma Berlin 1999

6. Bayerischer Staatsminister der Finanzen: Fehlzeiten der Beschäftigten des Freistaats Bayern 2000. pp1-24. www.bayern.de/stmf/seiten/blick/fehlz.pdf

7. BÜCHNER J, SCHROER A: Effektivität und Effizienz betrieblicher Gesundheitsförderung in den USA. Die Betriebskrankenkasse 1996; pp 130 - 145

8. BUNDESZENTRALE FÜR GESUNDHEITLICHE AUFKLÄRUNG (Hrsg): Leitbegriffe der Gesundheitsförderung. Verlag Peter Sabo. Schwabenheim a.d.Selz 1999

9. EICHENDORF W, HUF CA, KARSTEN H, RENTEL A, TILLER RE, VOSS KD, WEBER-FALKENSAMMER H, ZWINGMANN B: Arbeit und Gesundheit. Jahrbuch 2000. Innovation und Prävention. Universum-Verlagsanstalt, Wiesbaden 1999

10. EICHENDORF W, FISCHER C, HUF CA, KARSTEN H, MÜLLER E, PANTER W, RENTEL A, SCHRÖDER M, , VOSS KD, WEBER-FALKENSAMMER H, ZWINGMANN B: Arbeit und Gesundheit. Jahrbuch 2001. Innovation und Prävention. Universum-Verlagsanstalt, Wiesbaden 2001

11. ELKE G.: Ganzheitliches Management des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Ergo Med 1997; 21: 39-48

12. EUROPEAN NETWORK FOR WORKPLACE HEALTH PROMOTION: Luxembourg Declaration on Workplace Health Promotion in the European Union. November 1997

13. FRANZKOWIAK P, SABO P (Hrsg): Dokumente der Gesundheitsförderung. Internationale und nationale Dokumente und Grundlagentexte zur Entwicklung der Gesundheitsförderung. Mainz 1993.

14. GALLIKER D: Betriebe in Bestform. Gesundheit, Qualität und Umweltschutz aus einem Guss. Universum-Verlagsanstalt, Wiesbaden 2000

15. HURRELMANN K, LASER U (Hrsg): Gesundheitswissenschaften. Weinheim 1993.

16. ILO INTERNATIONAL LABOUR ORGANISATION OFFICE GENEVA: Guidelines on occupational safety and health management systems (Provisional version). Genf 2001

17. HUTH E, KRÜGER D, ZOZI G: Gesundheitsförderung im Krankenhausbetrieb – Funktionsbereich Reinigung. Forschungsbericht. Fachhochschule Hamburg 1996

18. JANCIK JM: Betrieblicher Gesundheits- und Arbeitsschutz – Vom „push“ zum „pull“. Eine kritische Analyse. Arbeitsmed. Sozialmed. Umweltmed. 2000; 35: 282 - 289

19. KERKAU K: Betriebliche Gesundheitsförderung. Verlag für Gesundheitsförderung G. Conrad. Gamburg 1997

20. PAPPAI F: Kosteneinsparung durch arbeitsmedizinische Betreuung - Qualitätskriterien der Bundesarbeitsgemeinschaft für Überbetriebliche Arbeitsmedizinische Dienste als Beispiel. Moderne Unfallverhütung 41, 1996; pp 85 - 87

21. PAULUS P (Hrsg): Prävention und Gesundheitsförderung. Köln 1992.

22. PRIESTER K: Betriebliche Gesundheitsförderung. Mabuse-Verlag. Frankfurt 1998

23. RADTKE PH: European Quality Award - die Kriterien des EQA umsetzen. München 1997

24. SCHEUCH K: Psychomentale Belastung und Beanspruchung im Wandel von Arbeitswelt und Umwelt. Arbeitsmed. Sozialmed. Umweltmed. 1997; 32: 289 - 296

25. SCHROER A (Hrsg): Betriebliches Gesundheitsmanagement. Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2000

26. STADLER P, STROBEL, GRAF HOYOS C: Psychische Belastung von Mitarbeitern – die Rolle des Führungsverhaltens. Ergo Med 2000; 24: 136 - 142

27. WEBER TH: Betriebsmedizin im Krankenhaus: Ethische Fragestellungen. In: Hofmann F, Reschauer G, Stößel U (eds) Arbeitsmedizin im Gesundheitsdienst Band 8. Edition FFAS Freiburg 1994; pp 54-64

28. WEBER TH: Integriertes betriebliches Gesundheitsmanagement. Ergo Med 2001;4: 103-111

29. WELTGESUNDHEITSORGANISATION: Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung. Nachdruck der autorisierten Fassung. G. Conrad, Verlag für Gesundheitsförderung Gamburg 1993

30. WORLD HEALTH ORGANIZATION: The Jakarta Declaration on Leading Health Promotion into the 21st Century. WHO Genf 1997

Kontakt

Durchführung der Studie

Anschrift der Autoren
Dr. med. Thomas Weber und
Dr. med. Vera Stich-Kreitner
Personalärztliche Abteilung
Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken GmbH
Ludwig-Ehrhard-Str 100
65199 Wiesbaden

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