Rückkehrgespräche - kritische Anmerkungen

Autor: Ferdinand Gröben

Krankenrückkehrgespräche als Teil der Gesundheitsförderung?

Hohe Fehlzeiten stellen für Betriebe ein Kostenproblem dar. Um die Konkurrenzfähigkeit zu erhalten, müssen die Personalkosten gering gehalten werden. Immer wieder greifen Betriebe zur Senkung der Fehlzeiten auf Krankenrückkehrgespräche zurück. Repräsentative Studien zeigen, dass 30 Prozent der Betriebe zu diesem Mittel greifen. Erfahrungen mit Rückkehrgesprächen zeigen, dass die Gespräche nur selten zur Aufdeckung von Gesundheitsgefahren führen. Beschäftigte nehmen systematisierte Rückkehrgespräche oft als Repressalie wahr.

Fehlzeiten in den Unternehmen stehen in einem direkten Zusammenhang mit der betrieblichen Situation, den Bedingungen am Arbeitsplatz und vor allem mit dem Führungsverhalten. Gestufte Rückkehr- und Fehlzeitengespräche sollen zur Senkung von Fehlzeiten beitragen. Sie werden von einer Reihe von Unternehmen mit Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung verbunden. Ein solches Vorgehen ist nicht neu und wird von Unternehmen, nicht zuletzt in der Hoffnung auf eine bessere Akzeptanz der Maßnahme seitens der betroffenen Mitarbeiter und Führungskräfte, praktiziert.

Rückkehrgespräche und Ottawa Charta

Gleichwohl soll an dieser Stelle kritisch angemerkt werden, dass Konzepte zur Senkung von Fehlzeiten durch Rückkehr- und Fehlzeitengespräche und der Ansatz der betrieblichen Gesundheitsförderung nicht unbedingt kompatibel sind. Gesundheitsförderung im Sinne der Ottawa Charta (WHO) zielt auf die Herstellung einer gesundheitsförderlichen Umwelt und die Entwicklung persönlicher Kompetenzen, sie zielt auf einen Prozess, den Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre eigene Gesundheit zu ermöglichen und sie zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.

Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren

Im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung werden, anders als bei dem Rückkehr- und Fehlzeitengesprächskonzept, arbeitsbedingte Belastungen und Beeinträchtigungen der Mitarbeiter bereits im Vorfeld von Erkrankungen durch Mitarbeiterbefragungen sowie im Rahmen von betrieblichen Gesundheitszirkeln erfasst. Die an den Gesundheitszirkeln beteiligten Mitarbeiter(-vertreter) erarbeiten, unterstützt von Experten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, Verbesserungsvorschläge zum Abbau von arbeitsbedingten Belastungen, zur Verbesserung der Arbeitszufriedenheit und des Betriebsklima. Obgleich der direkte Vorgesetzte im Zirkel anwesend ist, werden die subjektiv als belastend empfundenen Bedingungen am Arbeitsplatz in der Regel ohne Bedenken seitens der Mitarbeiter thematisiert. Anders als bei den Fehlzeitengesprächen befinden sich die Mitarbeiter dabei nicht in einer Defensivsituation, sie lernen vielmehr, aus Überzeugung und nicht aus Angst, frühzeitig und konstruktiv bei der Verbesserung der Arbeits- und damit der Produktionsbedingungen mitzuwirken.

Erfahrungen

Es sind Zweifel angebracht, ob im Rahmen von Fehlzeitengesprächen Mitarbeiter bereitwillig Auskünfte über sie persönlich betreffende Belastungen am Arbeitsplatz geben und ob dies zu tatsächlichen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen führt. Eine Befragung von sechs großen und mittleren Unternehmen unterschiedlicher Branchen zu ihren Rückkehr- und Fehlzeitengesprächskonzepten hat ergeben, dass abhängig von dem Konzept der Unternehmen eine größere oder kleinere Zahl Mitarbeiter über arbeitsbedingte Ursachen ihrer Erkrankungen Auskunft geben und nur ein Teil der besprochen Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden.

Aus Sicht der betrieblichen Gesundheitsförderung stellt die Sensibilisierung der Führungskräfte für die Auswirkungen ihres Verhaltens auf das Befinden, die Motivation, die Leistungsfähigkeit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter eine bedeutende Aufgabe dar. Um Führungsverhalten, das eine zentrale Ursache für Fehlzeiten darstellt, z.B. im Rahmen von Trainings weiterzuentwickeln, ist es notwendig, auf einfühlsame Weise die dem Führungsverhalten zu Grunde liegenden Überzeugungen und Denkweisen anzusprechen und Wege aufzuzeigen, wie diese im Hinblick auf ein partizipatives und mitarbeiterorientiertes Führungsverhalten zum Nutzen der Führungskraft wie der Mitarbeiter von ihr verändert werden können.

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